Abenteuerfahrt
Merkwürdig schwergängig ist die Tastatur in diesem Jahr, sobald es geht um Blogbeiträge, Social Media im Allgemeinen. Oder Texte verfassen im Besonderen.
Aber jetzt – Jahresrückblick 2018!
Beginnen wir mit der Haustierlage: unverändert sind wir bekatzt, dreifarbig, nur schwerer wird sie, ich glaube, jede Woche um ein halbes Kilo.
Die Kinderlage ist ebenfalls unverändert, drei Stück sind es und es sind die großartigsten und besten die man sich denken kann. In jeder Hinsicht. Sie sind toll.
[noch ein Einschub: während des Schreibens hatte ich das Gefühl, es ginge um ein größeres Überthema, während des ersten Durchlesens dann kam die Erkenntnis: alle diese Themen hier sind verbunden durch ein Gefühl des Eingerastetseins. So als hätten sehr viele Stellrädchen in meinem Leben ineinander gefunden. Ganz ähnlich dem Klack, das Buddenbohm hier beschreibt.
Weiter mit dem Weihnachtsbaum: er steht noch. Was bei frauziefle nicht unbedingt selbstverständlich ist, sie baut ihn auch gerne direkt nach dem letzten Stückchen Essiggurke im Krabbensalat wieder ab, Weihnachtsbrimboriümer sind nicht ganz so das Ihre, sie spürt jedoch eine gewisse Veränderung bei diesem Thema. Beispielsweise wird sie die neu erworbenen Weihnachtsschmuckstücke aufbewahren, weil sie inzwischen ja keinen 1 3/4 jährigen Sohn mehr hat, der am Treppenabsatz vor dem Dachboden sitzen könnte, neben sich die Weihnachtsschmuckschachtel und ausprobiert, wie das klingt wenn die glänzenden Kugeln vier Stockwerke tief durch das Treppenauge in den Keller geworfen werden und dort zerschellen, weil sie aus Glas gewesen sind, mit der Betonung auf „gewesen“.
Überhaupt Schmuck: wenn in diesem Jahr etwas eklatant anders war als in den vorigen dann dies. Nach wie vor bin ich keine Dame mit Schmuck an Stellen, der einzige Schmuck den ich je trug war mein Ehering, was aus diversen Gründen nun schon seit Langem nicht mehr der Fall ist. Ich trug ihn noch, weil er handgemacht wurde nur für mich, von meiner Freundin S, und daher eigentlich auch steht für sie und für alles, was uns in den letzten 20 Jahren verbunden hat und noch immer verbindet. Wie wunderbar, dass es dich gibt!
Zurück zum Schmuck, und damit meine ich auch das Interieur. Vielleicht kennt man das: man hat kleine Kinder und eine praktische Einrichtung, am besten abwaschbar, spülbar, in die Waschmaschine steckbar. So vieles „lohnt nicht“, weil: Kinderpuddinghände, Edding, Schuhsohlen, Leben, alles dreifach und zur gleichen Zeit, denn das älteste Kind war gerade erst drei Jahre alt als das Jüngste kam, die meisten hier erinnern sich ja daran.
Später dann lohnt es wohl, aber das Geld ist nicht da, weil drei Kinder Nahrung benötigen, und das dringlicher als die Eltern einen neuen Schrank, und dann geschehen diverse Disruptionen und es fehlt noch mehr an Geld, und dann kann es geschehen, dass man einen Laden gründet und alle Energie in diesen steckt und im Sommer sehr krank ist und sich wiederfindet in einem Zustand Ypsilon und mit einem Schlag zu sehen beginnt. Und dann ist es einer Everestbesteigung gleich, all die Scham zu bewältigen, die sich über die Jahre der Geldknappheit aufgebaut hatte (und verdrängt war), so viel Scham, rasch hinwegkompensiert in eine bohemieske Improvisationsgabe hinein, in ein „was brauchen wir schon“ und „dieses Brett hebe ich auf für den Fall, dass ich einen Tisch bauen muss.“ Aber auch: diesen Stapel Papier räume ich nicht weg, weil ich nicht weiß ob es lohnt, es entsteht ja doch gleich wieder ein neuer, und wann soll ich das machen, und warum hat mein Tag nicht einfach zehn Stunden mehr, und: ich bin die einzige Erwachsene unter vier Personen, – und man weiß es ja eigentlich alles! – und dann ist es ein kleiner Schritt hin zum Gedanken, ein schlechter Mensch zu sein, weil man keine Handtuchhaken hat, dabei ist man sehr nett und kompetent und auch gutaussehend, intelligent, belesen und kann kochen und Excel, und muss lediglich damit leben, dass das Badezimmer ein wenig gerupft aussieht nach dem morgendlichen Duschgelage.
Man kann – und dies ist eine Metapher für später – tatsächlich einen ganzen Keller voller zerlegter Altmöbel haben, aus deren Scharnieren man denkt, eine neue Tür bauen zu können und aus den Brettern einen Spieltisch für die Kinder. Auf diese Weise kann man sehr lange ein Leben führen voller Hingedengeltheiten, bis man vielleicht an einen Punkt kommt an dem man zu spüren beginnt, wie viel Kraft das kostet, dieses Hindengeln und vor-den-Kindern-Verbergen, die ständigen Reparaturen und gerade-noch-so-Geschafftheiten und überhaupt das Leben im Leben im Übergang-wohin-auch-immer, was sich darin niederschlägt, dass man nach geschlagenen 15 Jahren Familienleben und Haushalt keinen festen Platz hat für die Ablage von Altpapier.
Wir haben jetzt ein Wohnzimmer mit Möbeln darin, die so neu sind, dass ich sie nach drei Monaten ungefähr zwar eingeräumt, aber nie wieder geöffnet habe, sie stehen einfach an der Wand und im Raum und machen eine gute Figur. Meine Bücher sind nach Farben sortiert aus Ruhe-für-das-Auge-Gründen, und im Einbauwandschrank, der schon immer da gewesen ist, stehen Gläser und Schüsseln im Wert eines ganzen Vierteljahres für Essen, eine Rechengröße, die ich nicht so schnell loswerden kann. Aber schön sieht es aus und ich glaube, es ist ein guter und positiver Wert an sich, den man sich selbst zugesteht, wenn man sich sagen darf: es ist gut so, auch wenn es „nur“ schön ist und vielleicht nur ein winzig kleines bisschen praktisch.
Überhaupt auch das Schaffen. Was im Schwäbischen nichts anderes als „tätig-sein“ heißt und daher völlig selbstverständlich ist, ist im Hochdeutschen voller Schweiß und Tränen und Muskelkater und vielleicht auch Verzweiflung ab und zu. Im Währenden hätte ich nie zugegeben – und gar nicht gesehen – , dass vieles nur gerade so geschafft ist, wie knapp alles war und wie bitter oft. Aber jetzt – am anderen Ufer dieses reißenden Stromes, jetzt kann ich sehen, dass ich ihn überquert habe ohne Boot, weil ich schwimmen musste und gar keine andere Wahl hatte. Stolz bin ich darauf, und stolz auch auf das, was dieses Jahr gelungen ist:
Den Laden zu gründen und ganze fünf Menschen in Lohn und Brot zu bringen und an jedem einzelnen dieser zurückliegenden 200 Tage (oder etwas mehr schon) spüren zu dürfen, dass es gehen kann, ein solches Projekt in einer Gemeinsamkeit zu bewältigen, die ihresgleichen sucht. Unser Buchladen ist in jeder Hinsicht „unser“, und ganz wunderbar ist es, wie unsere Kund*innen und überhaupt die Mössinger*innen in diesem Geist sich wiedergefunden und uns angenommen haben mit völlig unerwarteter Intensität. Wir standen an HeiligAbend in unserem Laden und fragten uns, wann denn der Stress käme vom Weihnachtsgeschäft, und ja: es war viel, sehr sehr viel zu tun, aber die Stimmung war die ganze Weihnachtszeit über so fröhlich wie im Sommer, vor und hinter der Theke und glücklich bin ich und dankbar, dass wir das gemeinsam so erleben dürfen: Dank gilt hier allen Menschen, die uns in 2018 begleitet haben, den Verlagsvertreterinnen und -vertretern, die unter teils abenteuerlichen Umständen unseren Ersteinkauf begleitet haben, den Mitarbeiter*innen unseres Großhändlers, ohne die wir keine einzige Kundenbestellung über Nacht bekämen, der Bank natürlich, die uns vertraut und zutraut – und jeder Einzelnen aus meinem Team. Danke Euch – danke Euch für dieses Jahr.
- DATENSCHUTZGRUNDVERORDNUNG
- Wertschätzung